Der Kessel auf der offenen Feuerstelle brodelte leise vor sich hin und der alte Druide mit dem langen weißen Bart und den langen weißen Haaren schürzte zufrieden die Oberlippe.
„Bald ist der Trank vollendet, es ist beinahe alles drin, was nach den Vorschriften der Alten hinein muss, ein Körnchen Grünspat noch… drei Tropfen vom obergärigen Zwiebelsud und noch eine kleine Prise schwarzes Salz…ein Mistelzweig…“
Der kleine Krieger mit dem gelben Schnurrbart sah seinen alten weisen Freund an und zwinkerte ihm zu:
„Oh Druide, wenn wir dich nicht hätten, wäre unser Dorf schon lange in römischer Hand.“
Sein dicker Freund mit den roten Zöpfen und der blau-weiß gestreiften Hose hatte die Daumen an sein dickes Doppelkinn gelegt und klatschte vor Freude die Finger zusammen.
„Wir gehen zu den Röööömern! Und dann gibt es endlich wieder ein paar Wildschweine für mich!“
Er beugte sich nach vorn, öffnete den Mund und bedeutete dem Druiden ihm etwas von dem Trank einzuflößen.
„Du nicht, du großer, dicker Gallier! Du weißt doch, dass du als Kind in den Zaubertrank gefallen bist. Außerdem ist der Trank doch noch gar nicht fertig. Es fehlt noch eine letzte Zutat. Mit leiser Stimme sprach er kaum hörbar zu den beiden Freunden:
„Das Lak-r-‚itz. Das schwarze Gold des Orients. Ich bewahre es in dieser kleine Dose auf, die ich immer sicher verwahrt in meinen Beutel am Gürtel trage. Es ist sehr wertvoll, weil es aus einem fernen Land kommt, wo es aus dem süßen Saft einer Wurzel gewonnen wird, die es bei uns leider nicht gibt.“
Der Druide öffnete das kleine Döschen und hielt es den beiden Freunden unter die Nase.
„Riecht einmal. Dieser betörende und dennoch leicht in der Nase beißende Duft, dieser schwarze Glanz, wie die pechschwarzen Haare einer orientalischen Jungfrau. Und diese Konsistenz erst. Es schmeckt im Übrigen sehr…“
„Salzig.“, sagte der dicke Gallier. Er schluckte ohne gekaut zu haben. „Etwas salzig.“
Der alte Druide glotzte ihn mit offenem Mund an. Dann schrie er:
„Du dickwanstiger, gefräßiger Kraftprotz, der nur mit seinem Bauch denkt! Das war das letzte Stück. Ich kann jetzt keinen Zaubertrank brauen! Wir sind den Römer ausgeliefert!“
„Tschuldigung.“, sagte der dicke Gallier
„Das ist eine Katastrophe!“, sagte der Druide „Wenn die Römer davon erfahren sind wir geliefert.“
Der kleine Krieger sah den Druiden an.
„Wo können wir neues Lak-r-‚itz besorgen?“
Der Druide warf die Stirn in Falten.
„Der Laden ist weit weg von hier, im Norden Germaniens, in der Stadt Hammaburg, in Winterhude, um genau zu sein. Es ist eine lange gefährliche Reise, aber wenn ihr unser Dorf retten wollt…“
„Wir werden das Lak-r-‚itz beschaffen, oh Druide, und koste es unser Leben.
Der dicke Gallier strahlte bis über beide Ohren.
„Auja, auja. Lak-r-‚itz! Und Römer! Und Wildschweine! Ein Abenteuer!!!“
Er klatschte in die Hände und führte einen kleinen Freudentanz auf.
Der Druide sah die beiden besorgt an, doch fühlte er plötzlich eine etwas wehmütige Sehnsucht im Herz. All die Leckereien, die die beiden sehen, geschweige denn probieren würden. Er wusste um all die Hexenroller, Teufelsschwänze, Elchködel, Lakritztaler, Salzfische und Salmiakschnecken, die in der Lak-r-‚itz-erie zu Winterhude feil geboten wurden. Ein Abenteuer? Wohl wahr. Aber welche Kostbarkeiten gab es zu entdecken!
Geschrieben von Michael Schelhorn, März 2011