„Na hast du schon Hunger?“, fragt mich Frau Matthias, die Inhaberin der Lakritzerie, am Mittag nach vier Stunden Arbeit. Frau Matthias hat vorher bei Blockhaus, als persönliche Assistentin von Herrn Block gearbeitet. Aber nach vielen Jahren anstrengender Arbeit will man vielleicht auch mal etwas selbstständig machen. Also suchte sie nach Geschäftsräumen, ohne jede Ladenidee. Weil sie und ihre Familie Lakritz lieben, eröffnete sie eine Lakritzerie in Winterhude. Aber so einfach konnte sie noch nicht ein Geschäft eröffnen, also machte sie einen Kurs, in dem man sein Projekt vorstellen konnte. Da alle im Kurs von ihrer Idee begeistert waren, eröffnete sie den Laden im September 2009.
Auf die Idee von mir mein Schnupperpraktikum in einer Lakritzerie zu machen, kam ich, da meine Mutter vor kurzem angefangen hatte dort zu arbeiten und ich sowieso Lakritz gerne mag.
„Ding Dong, Ding Dong“, die Türglocke! Als ich den Laden betrete, kommt mir sofort ein würziger Geruch entgegen. Bevor ich überhaupt da bin, gegen 10 Uhr, sind schon Kunden in der Lakritzerie und als diese weg sind, zeigt mir die Inhaberin Frau Matthias erst mal das Büro. Den Rest des Ladens kenne ich ja schon.
Und dann kommt der Hammer! Sie zeigt mir dabei, dass am Wochenende hier eingebrochen wurde. Ich frage mich, wer in einen Lakritzladen einbricht und noch nicht einmal Lakritz mitnimmt, sondern nur Kleingeld. Also Frau Matthias nimmt das alles ganz gelassen, da nur wenig Geld wegkam und die Fenster, die die Täter aufhebelten, bezahlt die Versicherung. Mich hat es schon ziemlich geschockt, ich hätte gedacht, dass wenn man in einen solchen Laden einbricht, mehr mitgenommen werden würde, wie beispielsweise den Drucker oder ähnliche technische und wertvolle Geräte. Es kommt noch eine Polizistin, die meint, dass die Täter Gummihandschuhe anhatten und keine Spuren hinterließen.
Frau Matthias erklärt mir viel, unter anderem, dass ihr die Hygiene, die Höflichkeit, die Qualität und das Aussehen des Ladens sehr wichtig sind. „Anfangs hatte ich dir Metallregale, die jetzt im Lager stehen. Doch die konnte man nicht ewig hier stehen lassen.“, sagt sie. Und wenn ich zum Beispiel Gläser auffülle, nehme ich immer ein neues Glas, um noch einmal auf das Thema Hygiene zu kommen.
„Wenn du Lust hast, können wir jetzt den Internetshop machen“, schlägt sie mir vor. Super, darauf habe ich mich gefreut. Ich frage mich, wie die Kunden es schaffen, sich aus circa 500 verschiedenen Lakritzen, vom „alten Schweden“ bis zum „Zwartwitjes“, und dazu noch anderen Süßigkeiten, wie zum Beispiel Schokolade, Pralinen, Karamell, Lollis und vielen anderen Bonbons etwas auszusuchen, ohne etwas ausprobiert zu haben und mit eigenen Augen gesehen. Naja, aber wenn man aus Bayern oder anderen südlichen Gegenden kommt, dann Noch nicht mal alle der 400 Lakritzarten kann man ja nicht einfach mal vorbei kommen und sich was aus dem Sortiment des Ladens aussuchen.
Beim Internetshop muss ich viel klicken, damit ich irgendwie die Bestellungen fertig bearbeiten kann. Doch das ist noch nicht alles, denn dann packt Frau Matthias die Pakete, also sie sucht alles raus und ich packe es dann zusammen. Danach drucke ich die Rechnung aus, die auf gelbes Papier gedruckt werden muss und packe sie ins Paket. Ich klebe alles zu uns schließe es mit einem von und ausgedruckten Etikett ab.
„So, ich habe noch eine Aufgabe für dich“, erklärt sie mir, als ich mit dem Internetshop fertig bin. Ich darf jetzt Tüten packen, zum Glück muss ich so etwas nicht öfter machen. Das ist nicht gerade ein Zuckerschlecken, wie sonst eigentlich alles im Laden. Ein Glück kann ich mich zwischendurch hinsetzen. Ich soll nicht immer sitzen, da das nicht so höflich rüberkommt und wie gesagt: Höflichkeit ist in der Lakritzerie sehr wichtig. Beim Packen kann ich mir mal die verschiedenen Kunden angucken, ob mehr Männer oder Frauen Lakritz kaufen, ob die Kunden eher älter oder jünger sind und wie viele ein Geschenk kaufen und dieses einpacken lassen wollen. Dabei fällt mir auf, dass eigentlich jede Altersgruppe und gleichviele Männer, sowie Frauen etwas einkaufen. Aber für sich selber kaufen mehr Frauen Lakritz, doch geschätzt nur jeder zweite Mann. Wie gesagt, das Eintüten ist nicht so einfach. Ich klebe erst mal Etiketten auf die Tüten, dann fülle ich die Tüten und wiege sie. Und das Ganze bei gefühlt 1.000.000 Tüten.
Gut, dass jetzt Mittag ist und ich Wurst mit Pommes holen kann. Im Imbiss läuft witzigerweise eine Doku darüber, dass immer häufiger eingebrochen wird. Eigentlich wollen wir gerade essen, da klingelt wieder die Türglocke. Wahrscheinlich ist gerade überall Mittagspause und viele wollen etwas zum Naschen kaufen. Ist das nicht frech? Wir haben aufgegessen und es kommt fast niemand mehr. Aber jetzt hat Frau Matthias wieder Zeit, mir etwas zu erzählen.
Diesmal geht es um den Einkauf. „Da man ja immer riesige Paletten kaufen muss, wenn man bei den meisten Herstellern direkt einkaufen will, kaufen wie das Meiste bei den sogenannten Zwischenhändlern“, erklärt sie mir. Außerdem erzählt sie mir viel über Lakritz. Frau Matthias erklärt mir, dass Lakritz, außer aus Zucker, vor allem aus Süßholzwurzeln besteht, aus denen dann feste Lakritzbrocken werden. Die Lakritzbrocken werden dann lange gekocht und alle Zutaten, wie Zucker, Stärke, Salmiaksalz und Gewürze werden dazu getan. Auf meine Frage, woher ihr Lakritz kommt, antwortet sie mir, dass ihr Lakritz aus vielen Ländern, verteilt über ganz Europa kommt. Aus Schweden, Finnland, Dänemark, Belgien, Holland, Deutschland und sogar aus Spanien und Italien.
„Auf Wiedersehen, Frau Matthias, es hat mir heute sehr viel Spaß gemacht, obwohl es sehr anstrengend war, was ich nicht gedacht hätte, habe ich viel Neues gelernt und es war sehr aufregend.“ In der Bahn überlege ich mir, wie es morgen wird, weil Frau Kurz, die andere Verkäuferin, mich morgen betreuen wird und ich sie noch nicht kenne und ob ich noch viel Neues erlebe oder ob die Arbeit in einem Lakritzladen wohl immer die gleiche ist. Dabei esse ich noch ein wenig Lakritz von den vielen Tüten, die ich mitbekommen habe.
„Hallo, du bist wahrscheinlich Lennart“, Der Tisch in der Mitte des Ladens, mit dem Schokosortiment begrüßt mich Frau Kurz. „Du hast schon mal den Internetshop gemacht, oder?“, Juhu, heute kann ich wieder Bestellungen aufnehmen und das, was mir gestern so richtig Spaß gemacht hat. Während der Arbeit fällt mir auf, dass nur Bestellungen von weiblichen Kunden eingegangen sind und sogar eine aus München. Zwischendurch zeigt mir Frau Kurz an einem Beispiel, dass wenn ein Kunde zum dritten Mal im Internetshop der Lakritzerie, etwas bestellt, der Kunde auf Rechnung bestellen kann. Nachdem wir alle Pakete zusammen gepackt haben, macht Frau Kurz Etiketten.
Währenddessen tüte ich ein weiteres Mal Süßigkeiten ein und dieses Mal bestimmt siebzig Tüten. Heute geht es ein bisschen schneller, wahrscheinlich da ich jetzt geübter bin. So kann ich mir wieder die Leute angucken die durch den Laden ziehen, während ich meine Arbeit verrichte. Weil aber nicht viel Kunden da sind, gucke ich mir die Leute, die am Schaufenster vorbei laufen an. Dabei ist mir aufgefallen, dass in dieser Gegend kaum. Der Laden, wie man ihn von der Straße sieht Jugendliche auf der Straße sind. Dafür laufen umso mehr junge Mütter mit Kinderwagen und Kleinkinder oder aber auch ältere Herrschaften herum. Natürlich laufen hier, in der Barmbeker Straße, auch andere Leute vorbei.
„Die Gläser sind noch nicht abgewaschen.“, bemerkt Frau Kurz. Auf das Abwaschen habe habe ich mich, als Super-Hausfrau, natürlich (nicht) gefreut aber aus Höflichkeit habe ich mir nichts anmerken lassen und die Aufgabe gewissenhaft erledigt. Hygiene ist hier schließlich sehr wichtig, aber das ist auch gut so.
„Ding Dong, Ding Dong“ Frau Kurz geht nach vorne. Ich bleibe hinten und sichere noch kurz die Bestellungen, so dass wir für heute dann auch mit dem Internetshop fertig sind. Als Frau Kurz wieder nach hinten kommt, grinst sie und berichtet, ein Kunde hätte wohl schon für drei Bonbons einen Rabatt haben wollen. Aber das sei natürlich viel zu wenig um einen Rabatt zu bekommen.
„Ich muss dich gleich nach Hause schicken, Lennart“ „Oh ja. Dann mache ich diese Tüten noch zu Ende.“
Ich hätte mir gestern Nachmittag nicht so viele Gedanken machen müssen. Obwohl arbeiten in einem Lakritzladen oft gleich ist, war es wieder sehr nett, denn es waren ja viele neue Kunden da, was Abwechslung bedeutet. Auf Dauer würde ich nicht so eine Arbeit machen wollen und bin froh, dass ich noch zur Schule gehe.
Lennart Krümel, Mai 2013